Wir profitieren vom Know-how der polnischen Community
Katarina Niewiedzial ist die Integrationsbeauftrage Pankow. Der Berliner Bezirk ist das Zuhause für fast 400.000 Menschen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Teilhabe aller Migranten in ihrem Bezirk zu fördern, indem sie als Schnittstelle zwischen der Stadt und den neuzugewanderten Menschen agiert. 2017 wurde sie als Vertreterin aller Berliner Integrationsbeauftragen in den Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen berufen. Im Interview erklärt sie, wie Polen als größte Zuwanderergruppe in Pankow den Zugang zum Arbeitsmarkt bewerkstelligen und was sie von allen anderen Communities unterscheidet.
Frau Niewiedzial, wie würden Sie die polnische Community charakterisieren?
Lange Zeit waren Polen in Berlin quasi unsichtbar. Es gab nur wenige Vereine oder polnische Organisationen, der Vernetzungsgrad unter den polnischen Einwanderern war eher gering. Sie kamen nur vereinzelt zu den Migrationsberatungsstellen – auch weil sich viele Polen gar nicht als Migranten verstanden haben.
Sich als Interessensgemeinschaft zu organisieren ist aber wichtig, denn nur so können Probleme an staatliche Akteuren weitergegeben werden, um die Situation von Menschen zu verbessern. Andere Communities waren da deutlich weiter und im Endeffekt auch schlagkräftiger, zum Beispiel die spanischen Einwanderer.
Mit der Zuwanderungswelle aus Polen nach dem EU-Beitritt hat sich die Situation aber positiv weiter entwickelt: Die Zahl der polnischen Vereine und Initiativen wächst stetig, es gibt viele Beratungsstellen, die in polnischer Sprache beraten. Auch in Pankow habe ich inzwischen vielfältige polnische Ansprechpartner. Über sie erfahre ich, welche Entwicklungen sich in der Community ergeben, welche Sorgen oder Anliegen die Menschen haben. Der Kontakt ermöglicht mir die wichtigen Angelegenheiten an die entsprechende Institutionen weiterzugeben, um die Anliegen besser zu unterstützen.
Könnten Sie uns ein Beispiel für eine Reaktion auf ein Anliegen nennen?
Ich erhalte in letzter Zeit immer wieder die Rückmeldung, dass mehr Erstinformationen und Orientierung im Bereich Gesundheit, Arbeitsmarkt und Bildung für polnische Frauen notwendig sind. Sie kommen nach Berlin – häufig in Begleitung ihrer Ehemänner, die hier als Fachkräfte arbeiten. Sie selbst finden nur schwer den Anschluss. Da sie oft die Sprache noch nicht gut beherrschen, benötigen sie die Informationen in ihrer Herkunftssprache, also in Polnisch. Sie können nicht warten, bis sie ihren Deutschkurs abgeschlossen haben, sie müssen von Beginn an verstehen, wie das System in Deutschland funktioniert. Dieses Anliegen nehmen wir ernst. Wir fördern deswegen das Projekt „Ankommen in Deutschland“, das über die Strukturen unseres Landes informiert – vom Gesundheitssystem bis hin zum Jugendamt.
Ebenfalls schwer ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für hochqualifizierte Frauen – im Sinne einer Beschäftigung, die ihren Qualifikationen entspricht. Wir fördern deshalb ein Coaching für hochqualifizierte Frauen, das sie bei der Integration in ein adäquates Beschäftigungsverhältnis unterstützt.
Wie hilft der Anschluss an die Community bei der Jobsuche?
Wer in ein anderes Land kommt, hat es schwer – besonders wenn er noch keinen Job hat, niemanden kennt und die Sprache nicht spricht. Da hilft es, Informationen und Unterstützung in der Muttersprache zu bekommen und sich mit Menschen in ähnlicher Situation auszutauschen. Das Engagement in den Migrantinnenorganisationen ist ein gutes Sprungbrett in den Arbeitsmarkt: Hier knüpft man wichtige Kontakte und erhält Zugang zu wichtigen Ansprechpartnern aus der Verwaltung und anderen staatlichen Institutionen. Die Frauen fassen wieder Mut und Zuversicht!
Was erschwert Polen den Einstieg in den Job und damit die Integration?
Fehlende Sprachkenntnisse und das mentale Durchhalten der Durststrecke bis zum ersten Job sind die größten Klippen. Dazu kommen strukturelle Probleme: Für Fachkräfte ist die Anerkennung der Qualifikation aus dem Ausland sehr bürokratisch und langwierig. Auch wenn Deutschland inzwischen ein Anerkennungsgesetz hat, in dem geregelt ist, welche Berufe wie in Deutschland als vollwertig anerkannt werden können, führt dieser Anerkennungsprozess nicht immer zum Erfolg. Zum Beispiel erfolgt die Anerkennung nur stückweise, die fehlende Teilqualifikation muss nachgeholt werden. Für viele Frauen ist dieser Prozess sehr mühselig und mit zusätzlichen Kosten verbunden. Deshalb brechen ihn viele ab. Am Ende finden sich die hochqualifizierten Frauen dann in Tätigkeiten wieder, die unter ihrer Qualifikation liegen.
Sie kennen viele zugewanderte Menschen in der Stadt. Was zeichnet die polnische Zuwanderung aus?
Zunächst vereint die beiden Staaten eine lange und nicht immer einfache Geschichte. Zudem spielt die geografische Nähe beider Länder eine wichtige Rolle. Polen ist ein wichtiges Nachbarland und wirtschaftlich mit Deutschland eng verwoben. Die Arbeitskräfte können pendeln: Sie leben in Polen und arbeiten in Deutschland. Das gilt übrigens auch umgekehrt. Es gibt eine starke Wechselwirkung, die hilft das asymmetrische Verhältnis zwischen den beiden Ländern aufzuheben: Wir sind an Ideen aus Polen sehr interessiert und können von dem mitgebrachten Know-how auch profitieren.
Könnten Sie ein Beispiel geben?
Lange Zeit waren in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem die polnischen Künstler und Kreativen präsent. Es lohnt sich aber, die Wirtschaftsthemen unter die Lupe zu nehmen und den Blick zum Beispiel auf die Gründer zu richten. Bei einer unserer letzten Veranstaltungen hatten wir einen polnischen Unternehmer zu Gast, der in Polen ein soziales Unternehmen gegründet hat – mit großem Erfolg. Er erklärte, wie er die Gründung angepackt und die betriebswirtschaftliche Ausrichtung eines sozialen Anliegens geschafft hat. Alle Zuhörer, insbesondere die Migrantenorganisationen, sogen sein Know-how förmlich auf. Sie lernten von ihm für ihr eigenes unternehmerisches Handeln. Insgesamt stelle ich bei meiner Arbeit fest, dass insbesondere die jetzige Generation der polnischen Gründer ihre Läden und Marken bewusst mit Bezug zu ihren polnischen Wurzeln oder gar auf deren Basis aufbaut – und damit beachtlichen Erfolg hat.