Kurzratgeber Arbeitsrecht: Wie deutsche und polnische Arbeitnehmer geschützt werden

Die deutsche Wirtschaft boomt, entsprechend bietet der deutsche Arbeitsmarkt momentan vielfältige berufliche Chancen. Auch viele polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Selbstständige wollen diese Chancen für sich nutzen. Vielen gelingt dies bereits sehr gut. Doch der deutsche Job-Boom hat auch Schattenseiten, von denen sowohl deutsche als auch polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen sind.
Zu den Kehrseiten des Job-Booms zählen Leih- und Zeitarbeit, ein ausgeprägter Niedriglohnsektor, befristete Arbeitsverträge, unfreiwilliges Arbeiten in Teilzeit, Minijobs oder geförderte Arbeitsgelegenheiten. Wer in einem solchen, prekär genannten Arbeitsverhältnis steckt, kann nur schlecht oder gar nicht von seinem Einkommen leben oder sein Leben kaum planen und langfristig gestalten.
Arbeitnehmerrechte: Wissen ist der beste Schutz
Doch was schützt vor prekären Arbeitsbedingungen und Benachteiligung? Was hilft, insbesondere polnischen Angestellten, die im Nachbarland arbeiten? Auf der einen Seite erhöhen Deutschkenntnissen die Chance, eine Beschäftigung gemäß der eigenen Qualifikation ausüben zu können. Auch der Anschluss an die eigene Community erleichtert den Neustart in Deutschland. Doch vor prekären Beschäftigungsverhältnissen und Ausbeutung schützt vor allem das Wissen um die eigenen Rechte als Beschäftigter auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Schließlich kann man seine Rechte nur geltend machen, wenn man sie kennt. Hier stellen wir eine Auswahl vor:
Leiharbeit
Leiharbeiter ist, wer von einer Leiharbeitsfirma an einen Einsatzbetrieb entsendet wird. Grundsätzlich gilt: Nicht der Einsatzbetrieb, sondern die Leiharbeitsfirma selbst ist der Arbeitgeber– mit allen Rechten und Pflichten. Sie zahlt den Leiharbeiter auch ihren Lohn. Dessen Höhe richtet sich nach Tarifverträgen. Leiharbeitsfirmen sind übrigens verpflichtet, ihren Angestellten auch dann einen Lohn zahlen, wenn sie gerade nicht in einem Betrieb entliehen und damit nicht beschäftigt sind. Wichtig ist nur, dass sie sich arbeitsbereit halten.
Die Arbeitszeit richtet sich oft nach den Schichtzeiten des Einsatzbetriebes und ist entsprechend flexibel, doch der Umfang entspricht meist einer 35-Stunden-Woche. Auf einem Arbeitszeitkonto werden alle geleisteten Stunden eingetragen, also auch Plus- oder Minusstunden. Es wird also genau erfasst, wenn mehr oder weniger Stunden gearbeitet werden als im Vertrag vereinbart.
Alle Informationen unter: http://www.faire-mobilitaet.de/informationen/flyer/++co++3478a34e-e437-11e4-b7dd-52540023ef1av
Entsandte Beschäftigte
Angestellte, die von ihrem Arbeitgeber für eine begrenzte Zeit zum Arbeiten in ein anderes EU-Land geschickt werden, sind entsandte Beschäftigte. Für sie gelten die EU-Regelungen zur Entsendung von Arbeitskräften. Ist ihr Einsatzort in Deutschland, werden sie zusätzlich durch das deutsche Arbeitsrecht wie folgt geschützt:
- Arbeitszeit: Pro Tag darf man acht Stunden arbeiten. Ausnahmen wie zehn Stunden sind nur möglich, wenn binnen eines halben Jahres im Durchschnitt nicht mehr als acht Stunden pro Tag gearbeitet wird.
- Mindestruhezeit: Nach der Arbeit stehen Angestellten elf Stunden Ruhe zu.
- Mindesturlaub: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf mindestens 20 Tage bei einer Fünftagewoche bzw. 24 Tage bei einer Sechstagewoche bezahlten Urlaub im Jahr.
- Mutterschutz: Sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt dürfen Angestellte nicht arbeiten und sind vor Kündigung geschützt
- Sicherheit: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Sicherheit und Hygiene bei der Arbeit zu gewährleisten
- Schutz vor Diskriminierung: Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass Beschäftigte zum Beispiel wegen ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts nicht diskriminiert werden.
Alle Informationen unter: http://www.faire-mobilitaet.de/informationen/flyer/++co++7118e72e-e819-11e4-bdf4-52540023ef1a
Mindestlohn

Für alle Arbeitnehmernen und Arbeitnehmer in Deutschland gilt entweder ein Branchenmindestlohn, der zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern tariflich ausgehandelt wird, oder der gesetzliche Mindestlohn.
Der gesetzliche Mindestlohn beziffert sich aktuell auf 8,84 Euro brutto pro Stunde. Er ist bis Ende 2018 gültig. Seine Höhe wird von der Mindestlohnkommission festgelegt. Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – ob Mini-Jobber, Saison-Arbeitnehmerinnen und -Arbeitnehmer oder Angestellte in Privathaushalten. Wie das Trinkgeld können auch die Zuschläge für Nachtarbeit oder Erschwerniszulagen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Der Arbeitgeber muss seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Zuschläge zusätzlich zahlen.
Für den gesetzlichen Mindestlohn gibt es nur wenige Ausnahmen. Er gilt nicht für: Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, in Deutschland gemeldete Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate nach Aufnahme einer Beschäftigung, bestimmte Gruppen von Praktikanten und Auszubildende oder Zeitungszustellerinnen und -zusteller.
Alle Informationen unter: http://www.faire-mobilitaet.de/informationen/flyer/++co++2871acb8-ed87-11e4-a0bd-52540023ef1a
Faire Mobilität: Beratung für polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Dieser Kurzratgeber beruht auf den Informationen des Projekts Faire Mobilität, das vom Deutschen Gewerkschaftsbund e.V. (DGB) ins Leben gerufen wurde. Es hilft, gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den mittel- und osteuropäischen EU-Staaten auf dem deutschen Arbeitsmarkt durchzusetzen. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und die DGB-Gewerkschaften gefördert.
Neben Informationsmaterialen in polnischer Sprache wartet das Projekt außerdem mit Beratungsstellen auf. So berät das Berliner Büro etwa auch auf Polnisch:
http://www.faire-mobilitaet.de/beratungsstellen/++co++f1f3d66c-f53a-11e1-a980-00188b4dc422
Weiterführende Informationen des Projekts zum deutschen Arbeitsrecht (auch auf Polnisch) finden Sie unter: