Workshop „Bürgerbudget – der bessere Bürgerhaushalt? Ein deutsch-polnischer Vergleich am Beispiel der Europastadt Görlitz/Zgorzelec“ zeigt unterschiedliches Vorgehen
Viele Menschen haben kreative Ideen für kleine und größere Projekte, die sie im Sinne des Gemeinwohls umsetzen wollen. Oft mangelt es jedoch an einer Finanzierung. Hier können sogenannte Bürgerbudgets helfen, wenn der Gemeinderat einen Betrag zur Verfügung stellt, mit dem Bürgervorschläge finanziert werden können. In der Europastadt Görlitz-Zgorzelec ist dies seit drei Jahren sowohl auf der deutschen als auch auf der polnischen Seite Realität.
Was bei den einen „Bürgerbudget“ heißt, nennen die anderen „budżet obywatelski“.
Beide Städte können also Vorbild für andere Gemeinden sein, die an demokratischen Innovationen interessiert sind.
Das Beispiel Görlitz-Zgorzelec war deshalb Thema eines gut besuchten Workshops, den Dr. Carsten Herzberg vom Berliner nexus Institut und Prof. Paweł Karolewski vom Willy Brandt Zentrum der Universität Breslau im Rahmen einer internationalen Konferenz organisiert hatten:
Am 26. November 2018 diskutierten 180 Teilnehmer*innen aus lokalen Verwaltungen, Politik und Bürgergesellschaft aus 17 Ländern auch über die Bürgerhaushalte der Europastadt. Die Konferenz wurde vom Netzwerk Bürgerhaushalt organisiert, dessen Träger die Bundeszentrale für politische Bildung, Engagement Global und das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement sind.
Gefördert wird das Netzwerk vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit.
Görlitz – in Deutschland Vorreiter beim Bürgerbudget
In Deutschland gibt es allgemein 70 bis 100 Beispiele für Bürgerhaushalte. In Polen sind es über 200, wobei es sich dort meist um Bürgerbudgets mit einem reservierten Betrag handelt. In Deutschland ist Görlitz somit eine der Vorreiter-Gemeinden. Bisher stehen dort ca. 60.000 Euro (ein Euro pro Einwohner*in) und in Zgorzelec umgerechnet ca. 82.300 Euro (2,60 Euro pro Einwohner*in) zur Verfügung. Das Spannende ist, dass beide Stadthälften unterschiedliche Ansätze wählen. Während es auf der deutschen Seite vor allem um die Stärkung von Bürgerräten geht, die über die Projekte entscheiden, können in Zgorzelec alle Bewohner*innen an der Abstimmung über die zu fördernden Projekte teilnehmen.
Im aktuellen Verfahren wird dort zum Beispiel der vergünstigte Eintritt für Kinder in ein kommunales Kino finanziert. Aber auch die 26- bis 60-Jährigen und die Senioren haben eigene Projekte. Für Görlitz sind die Finanzierung von interkulturellen Nachbarschaftsfesten, Wandertagen und das Aufstellen von Bänken und Tischen in Parks und auf öffentlichen Plätzen zu nennen.
Deutsch-polnischer Austausch wird fortgesetzt
Für die Organisatoren des Austausches, Dr. Herzberg und Prof. Karolewski, bildete der Workshop nur einen Auftakt. Die Diskussion könnte in der Europastadt durchaus fortgeführt werden. Auf fachlicher Ebene planen die beiden Wissenschaftler die Durchführung gemeinsamer Forschungsprojekte, für die sie bereits Anträge eingereicht haben. Spätestens wenn diese Vorhaben beginnen können, wird der Austausch über Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung in Deutschland und Polen fortgesetzt.