Brücken der Kultur: Perspektiven eines lebendigen grenzüberschreitenden Kulturnetzwerkes
„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar.“ Paul Klee
Seit über zehn Jahren widmet sich das Projekt „perspektywa“ (RAA – Demokratie und Bildung Mecklenburg-Vorpommern e. V.)dem Zusammenleben in der nördlichsten deutsch-polnischen grenznahen Region. Dabei legt es einen besonderen Fokus auf die Förderung der Bürgerbeteiligung und die Stärkung nachbarschaftlicher Beziehungen in Gemeinden, in denen zahlreiche polnische Neuzugewanderte leben. Zudem setzt sich das Team aktiv dafür ein, Vorurteile durch Begegnung abzubauen und die Überwindung von Sprachbarrieren zu unterstützen. In diesen Kontexten haben sich kulturelle Ansätze als besonders dienlich erwiesen.
Chancen grenzüberschreitender Kulturarbeit
Ob es gemeinsame Besuche in der Philharmonie Stettin (Szczecin) sind, ein interkulturelles Dorffest oder ein deutsch-polnischer Kinoabend – Kultur bietet eine besondere Möglichkeit, einander nicht nur auf physischer, sondern auch emotionaler Ebene zu begegnen, was besonders nachhaltig wirkt. Das Projekt „perspektywa“ organisiert und unterstützt Formate wie diese und greift in seiner Arbeit regelmäßig auf Kultur als Türöffner für Beteiligung und lebendige Nachbarschaft zurück. Die Angebote bieten Impulse, die am alltäglichen Leben der Menschen ansetzen und damit auch der Nachahmung beziehungsweise Fortführung dienen. Aber auch auf fachlicher Ebene bietet „perspektywa“ Workshop-Formate zur Vernetzung und inhaltlichen Zusammenarbeit regionaler deutsch-polnischer Kulturakteur*innen an.
Ein Beispiel dafür ist das Workshop-Angebot auf der Veranstaltung „KURORT KULTURª“, die am 15. September 2023 im Gutshaus Ramin stattfand und von der Geschäftsstelle für die Metropolregion Stettin ausgerichtet wurde. Die Veranstaltung hatte zum Ziel, die grenzüberschreitende Vernetzung von Kunst- und Kulturakteur*innen, Vereinen sowie Verwaltungen zu stärken.
„Es ist spannend, direkt in Grenznähe eine Großstadt zu haben. Das kann den ländlichen Raum komplett verändern“ – mit diesen Worten betonte Heiko Miraß, Parlamentarischer Staatssekretär für Vorpommern und das östliche Mecklenburg, die Relevanz der geografischen Nähe Stettins für das Dreiländereck Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Polen sowie die grenzüberschreitenden kulturellen Synergien.
Unter dem Titel „Erfolgsfaktoren und Herausforderungen: Workshop zur deutsch-polnischen Zusammenarbeit“ erarbeitete das Team von „perspektywa“ gemeinsam mit den Teilnehmenden essenzielle Aspekte einer erfolgreichen bilateralen Kooperation. Dabei kristallisierten sich Sprachkompetenz, die Pflege persönlicher Beziehungen und die gezielte Ausrichtung auf die Zielgruppe als entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Kooperation heraus.
Herausforderungen grenzüberschreitender Kulturarbeit
Ein deutlicher Unterstützungsbedarf wurde bei der Koordination zwischen den Partnern formuliert, die oft über unterschiedliche Strukturen und Zuständigkeiten verfügen. Auch die Bewältigung sprachlicher Hürden und kultureller Unterschiede sowie bürokratischer Anforderungen erweisen sich als herausfordernde Aufgaben, die einer gemeinsamen Strategie bedürfen. Gezielte Schulungen und Ressourcen, um die Sprachkompetenzen der Akteur*innen zu stärken und bürokratische Prozesse zu erleichtern, könnten Abhilfe schaffen. Zudem könnte die Etablierung einer zentralen Ansprechperson für deutsch-polnische Kooperationen in der Kultur die Koordination erheblich verbessern.
Die Beobachtungen und Erfahrungen der langjährigen Projektarbeit von „perspektywa“ decken sich mit den Erkenntnissen der Teilnehmenden. Derzeit hängen der Erfolg und die Nachhaltigkeit grenzüberschreitender Kooperationen von Schlüsselpersonen ab, die über sprachliche und interkulturelle Kompetenzen verfügen, eigene Ressourcen mobilisieren können, ein persönliches Netzwerk auf beiden Seiten pflegen und die ganz praktischen Bedarfe und Lebensrealitäten der Zielgruppen kennen – kurz: die sich auf beiden Seiten der Grenzregion zu Hause fühlen. Aber nur ein Bruchteil der Organisationen verfügt über eine entsprechende personelle Besetzung und ist folglich auf Ansprechpartner*innen angewiesen.
Ausblick
Das Projekt „perspektywa“ spielt als Akteur eine unterstützende Rolle im Gelingen des deutsch-polnischen Zusammenlebens und bringt diese Kompetenzen durch die langjährige Arbeit in der Region mit; ebenso die technischen und fachlichen Fähigkeiten zur Gestaltung zweisprachiger Veranstaltungen sowohl für Bürger*innen als auch für Fachpublikum. Dadurch fungiert das Projekt regelmäßig ohne expliziten Auftrag als Vermittler und Berater.
Gemeinsames Tätigwerden besitzt eine transformative Kraft, die über geografische und kulturelle Grenzen hinweg wirkt. Die Vision eines breiten, aktiven und grenzüberschreitenden Kulturnetzwerks birgt großes Potenzial zur Stärkung von Beteiligung, Zusammengehörigkeit und demokratischem Verständnis. Dieses Potenzial wird in der Region dringend benötigt und ist bei Weitem nicht ausgeschöpft. Dafür bedarf es stärkerer Bemühungen einer gemeinsamen Koordination.