Neue Impulse für gute nachbarschaftliche Beziehungen: die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau
Am 2. Juli 2024 fanden nach sechs Jahren wieder die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen statt. Bundeskanzler Olaf Scholz reiste mit zwölf Bundes- und Staatsminister*innen, darunter Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock, nach Warschau, wo sie von Polens Ministerpräsident Donald Tusk herzlich empfangen wurden. Sowohl Tusk als auch Scholz betonten die enge Beziehung zwischen Deutschland und Polen und einigten sich auf einen 40-seitigen Aktionsplan mit mehreren Initiativen und Projekten.
Ein zentraler Punkt des Aktionsplans ist die Fortsetzung und Intensivierung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in bilateralen Angelegenheiten. Die Regierungskonsultationen sollen nun wieder regelmäßig stattfinden, und neue Mechanismen für bilaterale Konsultationen, wie gemeinsame Treffen der Außen- und Verteidigungsminister*innen, werden eingeführt. Zudem wird zur Erinnerung an die polnischen Opfer des deutschen Angriffs und der Besatzung (1939-1945) das Projekt des Deutsch Polnischen Hauses im Zentrum Berlins hervorgehoben, welches laut Aktionsplan möglichst schnell fertiggestellt werden soll. Die Verwendung des deutsch-polnischen Geschichtsschulbuchs „Europa – Unsere Geschichte“ als Unterrichtsmaterial soll zudem in beiden Ländern verstärkt gefördert werden.
Um den Dialog zwischen den Gesellschaften zu fördern, wurde von polnischer Seite aus der Status eines Beauftragten für die Zusammenarbeit der beiden Länder wiederhergestellt. Die ehemalige polnische Regierung hatte jahrelang keinen Beauftragten für die Zusammenarbeit mit Deutschland ernannt. Der neue Beauftragte der polnischen Regierung ist ab sofort: Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz, polnischer Historiker, Deutschlandforscher, Universitätsprofessor und Direktor des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien an der Universität Breslau (Wrocław). Auf deutscher Seite gibt es das Amt des „Koordinators für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit“, umgangssprachlich oft als „Polenbeauftragter der Bundesregierung“ bezeichnet, seit 2004. Aktueller Amtsinhaber ist seit 2022 Dietmar Nietan. Außerdem wird ein neues Austauschformat, ähnlich einem Parlament der Zivilgesellschaft geschaffen, um den Zustand der Beziehungen zu diskutieren, Ideen zu entwickeln und Empfehlungen an die Regierungen zu geben.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird durch die Nutzung des Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit in Euroregionen und Zwillingsstädten wie Frankfurt/Oder-Słubice, Görlitz-Zgorzelec und Guben-Gubin gefördert. Der Dialog auf lokaler Regierungsebene und im Rahmen der Deutsch-Polnischen Regierungskommission wird unterstützt, und die Kommunikation zwischen den Grenzregionen soll verbessert werden. Zudem wird die Umsetzung des bilateralen Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst vorangetrieben.
Im Rahmen des deutsch-polnischen Modellvorhabens der Raumordnung (MORO) „Grenzüberschreitende Synergien von Raumordnung und Wasserwirtschaft im Einzugsgebiet der Oder“ wird eine Kick-off-Konferenz im Herbst 2024 stattfinden. Die deutsch-polnische Jugendzusammenarbeit wird ebenfalls gefördert, und das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW) soll stärker unterstützt werden. Eine verbindliche Zusage zur stärkeren finanziellen Unterstützung von deutscher Seite für das DPJW gibt der Aktionsplan jedoch nicht her.
Im Bereich Verkehr und Infrastruktur wollen Deutschland und Polen die Eisenbahn-Taktfahrpläne (Deutschlandtakt und das polnische Pendant Horyzontalny Rozklad Jazdy) verknüpfen. Ein polnisch-deutsches Freundschaftsticket wird eingeführt, und es soll bei der Erhaltung der Grenzbrücken zusammengearbeitet werden.
Für die Themen Energie und Klima wurde vereinbart, eine damit befasste Deutsch-Polnische Arbeitsgruppe einzurichten. Ferner werden die Energieplattform und das Energiewendeforum gestärkt, um die Energieversorgung zu verbessern, die Energiesysteme umzustellen und wettbewerbsfähige Energiepreise sicherzustellen. Schwerpunkte sind Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Wasserstoff, Infrastruktur und Energiemarkt. Zudem wurde am Rande des Treffens eine engere Zusammenarbeit zum Schutz der Oder angekündigt, um ein erneutes Fischsterben wie im August 2022 zu verhindern. Dies wird im Aktionsplan selbst nicht konkret genannt, jedoch wird eine Zusammenarbeit in Bezug auf den grenzüberschreitenden Naturschutz und den Nationalpark Unteres Odertal im Rahmen des Deutsch-Polnischen Programmrats angekündigt.
Dieser umfassende Aktionsplan zeigt das Bestreben beider Länder, ihre Zusammenarbeit zu vertiefen und verschiedene Bereiche von bilateralen Angelegenheiten bis hin zu Umweltfragen zu stärken. Mehr zu den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen hören Sie in Folge 12 des Podcasts „Alles über Polen“ vom Deutschen-Polenzentrum in Darmstadt.