Digitales Gedenken: Die Aufarbeitung des Lagers Wulkow
Unter dem Befehl von Gestapo-Chef Heinrich Müller verschleppte die SS fast 400 als Juden und Jüdinnen verfolgte Menschen aus dem Ghetto Theresienstadt nach Wulkow. Da Berlin in der Endphase des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus aufgrund verstärkter alliierter Bombardierungen immer unsicherer wurde, eignete sich Wulkow – eine kleine Gemeinde am Rande des Oderbruchs – wegen seiner abgeschiedenen Lage als „sicheres Nazi-Versteck". Die Häftlinge wurden dorthin verschleppt, um sogenannte „Ausweichdienststellen“ für das Amt IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamts sowie für die NSDAP-Parteikanzlei zu errichten. Ihr Alltag war von Gewalt, Hunger und willkürlichen Strafen geprägt.
Initiative zur Erinnerung: Die Gründung des Projekts
Nach 1945 wurde das Lager Wulkow abgerissen, sodass heute nur noch wenige Spuren vorhanden sind. Es geriet lange in Vergessenheit, und bislang gab es keinen Gedenkort, der den Opfern des Lagers gewidmet ist. Dies wollten Manuela Schönberg, Samuel Signer, Doreen Arndt, Tanja Kinzel, Kira Güttinger, Gabi Manns, Ralf Dannowski, Nils Weigt und Sophie Preibisch ändern. Sie setzten sich zum Ziel, die Erfahrungen der Häftlinge in Wulkow nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. 2021 gründeten sie einen ehrenamtlich wirkenden Arbeitskreis unter Beteiligung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen Märkisch-Oderland (VVN-BdA).
Geschichte digital erlebbar: Die Eröffnung der Ausstellung
Am 6. April dieses Jahres war es so weit – die Onlineausstellung „Erinnerungsort Wulkow – Ein Außenlager des Ghettos Theresienstadt“ wurde im Campus Schloss Trebnitz vorgestellt. Auch Familienangehörige von ehemaligen Wulkower Häftlingen reisten extra für die Ausstellung aus den USA und Tschechien an. Der digitale Erinnerungsort Wulkow ist das Ergebnis von drei Jahren Recherche, das sich auf Erinnerungsaktivitäten aus den 1990er Jahren aufbaute und ist auf Deutsch, Englisch und Tschechisch zugänglich. Besucher*innen der Online-Ausstellung können durch eine Zusammenstellung von Aussagen von Zeitzeugen, privaten Fotos und Zeichnungen der Häftlinge sowie Drohnenaufnahmen des Lagers tiefgehende Einblicke in die Hintergrundgeschichte des Lagers und die Verbindung zum Ghetto Theresienstadt gewinnen. Im Abschnitt „Erlebtes“ wird vom Alltag der Häftlinge im Lager bis hin zu ihren Erfahrungen mit Flucht und Deportation berichtet. Besonders viel Arbeit wurde in die bisher erforschten 15 Biographien der Wulkower Häftlinge gesteckt. Auch das, was nach 1945 mit dem Lager geschah, hat der ehrenamtliche Arbeitskreis sehr detailliert illustriert. Ziel des digitalen Erinnerungsortes ist es, an die Häftlinge zu erinnern und dabei eine lebendige antifaschistische Kultur im ländlichen Raum zu stärken.