Klimaschutz und Energiewende in den Regionen der Oder-Partnerschaft
Der menschengemachte Klimawandel macht auch vor dem europäischen Kontinent nicht halt, im Gegenteil: Laut dem ersten EU-Klimarisikobericht der Europäischen Umweltagentur EEA, der im März 2024 erschien, ist Europa der sich am schnellsten erhitzende Kontinent der Welt. Die Folgen des Klimawandels sind also in Europa durchaus schon stark spürbar und werden in nächster Zeit noch stärker wahrnehmbar werden. Um den Klimawandel zu bekämpfen, hat sich die Europäische Union mit dem European Green Deal das Ziel gesetzt, bis 2050 zum ersten treibhausgasneutralen Kontinent zu werden. Dafür sollen schon 2030 die EU-weiten Emissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden.
Wie der EU Green Deal auf regionaler Ebene umgesetzt wird, zeigt sich auch in den Regionen der Oder-Partnerschaft. Wir stellen im Folgenden einige der in den Regionen in Umsetzung befindlichen Projekte vor.
Das Projekt LIFE after Coal: Großpolens Weg zur Klimaneutralität
Ein wesentlicher Fokus für die Region Großpolen beim Weg in die Klimaneutralität ist die Energiewende und spezifisch der Transfer von der Kohleverstromung hin zu nachhaltigen Energieformen. Genau das ist auch der Fokus des Projekts LIFE After Coal PL, das von der EU und dem Polnischen Nationalen Fonds für Umweltschutz und Wasserwirtschaft mit insgesamt fast 85 Mio. Zloty unterstützt wird. Die Umsetzung dieses Projekts wird von der Selbstverwaltung der Wojewodschaft Großpolen in Zusammenarbeit mit der Regionalen Entwicklungsagentur S.A. in Konin, der Selbstverwaltung der Wojewodschaft Łódzkie und über dreißig Landkreisen und Gemeinden, hauptsächlich aus Ostgroßpolen, koordiniert. Nichtregierungs- und Wirtschaftsorganisationen aus dem In- und Ausland sind ebenfalls an dem Projekt beteiligt. Auch das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz in Brandenburg ist ein unterstützender Partner bei der Umsetzung des Projektes LIFE After Coal PL.
Maßnahmen des Projekts beinhalten unter anderem den Aufbau eines Managementsystems für Klimaneutralität auf regionaler und lokaler Ebene, inklusive Aktionsplänen und Risikoanalysen, sowie die Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel und Bereitstellung technischer Beratung für Energielösungen, die den Zielen der Klimaneutralität entsprechen. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts ist es, die gesellschaftliche Akzeptanz und aktive Beteiligung am Übergang zu einer emissionsfreien Wirtschaft durch Kommunikation und Bildung zu fördern. Dazu soll zum Beispiel eine interaktive, mobile Ausstellung zum Thema erneuerbare Energien konzipiert werden. Außerdem finden im Rahmen des Projekts regelmäßig Informationsveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und andere Veranstaltungen statt.
Ein Meilenstein, der bereits im Zusammenhang mit dem Projekt erreicht wurde, ist der Beitritt Großpolens zur Powering Past Coal Alliance (PPCA). Die PPCA ist ein internationales Bündnis von Ländern, Städten, Regionen und Unternehmen, die sich verpflichten, in der Regel bis 2030 aus der Kohleverbrennung zur Stromerzeugung auszusteigen. Als erste polnische Region ist die Wojewodschaft Großpolen nicht nur Mitglied der PPCA, sondern zudem auch von Hydrogen Europe - dem repräsentativsten Wasserstoff- und Brennstoffzellennetzwerk in Europa.
Klimaneutrale Fernwärme für Görlitz/Zgorzelec
Wie integrativ und verbindend das Streben nach mehr Klimaschutz wirken kann, zeigt sich in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec. Hier zielt das Projekt „Klimaneutrale Fernwärme für Görlitz-Zgorzelec“ darauf ab, die Fernwärmenetze beider Städte zu verbinden und bis 2030 eine vollständig klimaneutrale Wärmeversorgung für die aktuell rund 87.000 Bewohner*innen der Europastadt zu erreichen. Ein großes Vorhaben, für das zum einen insgesamt rund 12 km neue Fernwärmeleitungen entstehen sollen. Zum anderen sollen sowohl in Zgorzelec als auch Görlitz neue, dezentral gelegene, klimaneutrale Wärmeerzeugungsanlagen angelegt werden. Für die Energieerzeugung soll dabei auf einen Technologiemix gesetzt werden, der vor allem auf Wärmepumpen, Biomasse und Solarthermie setzt und so die 50.000 Tonnen CO2-Emissionen komplett einspart, die aktuell noch jährlich für die Energieversorgung der Einwohner*innen in der Europastadt anfallen.
Durchgeführt wird das Projekt seit seiner Initiierung im Jahr 2020 unter maßgeblicher Beteiligung des lokalen deutschen und polnischen Fernwärmeversorgers, den Stadtwerken Görlitz und dem SEC Zgorzelec. Unterstützung erhält die Initiative aber weit über die lokale Ebene hinaus: Nicht nur der sächsische Ministerpräsident Michael Kretzschmer und der Marschall der Wojewodschaft Niederschlesien, Cezary Przybylski, erklärten schon 2021 die Unterstützung der Regionen Sachsen und Niederschlesien für das Projekt. Auch das deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzministerium und das polnische Klimaministerium haben ein Unterstützungsschreiben für das Projekt unterzeichnet, zudem unterstützt die deutsch-polnische Energieagentur das Vorhaben als Leuchtturmprojekt für Klimaschutz und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Finanziert werden soll das Projekt vor allem auch aus EU-Fördermitteln, die sich im Frühsommer 2024 noch in der Beantragung befinden.
Die Initiative ist ein Symbol für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und soll als Vorbild für nachhaltige Energieprojekte in Europa dienen. Durch die Modernisierung bestehender Anlagen und den Bau neuer, klimaneutraler Erzeugungsanlagen wird eine erhebliche Reduzierung der CO2-Emissionen angestrebt. Die Verbindung der Fernwärmenetze ermöglicht es, alte Heizungsanlagen durch moderne Technologien zu ersetzen und trägt somit zur Erfüllung staatlicher und EU-Umweltschutzvorgaben bei.
Alternative Mobilität in Brandenburg: Unterwegs mit Wasserstoff statt Diesel auf der Heidekrautbahn
Um Möglichkeiten der nachhaltigen, klimaverträglichen Mobilität für morgen geht es in Brandenburg, wo mit dem Projekt „Wasserstoffschiene Heidekrautbahn“ die erste „grüne“, also CO2-neutrale Nahverkehrsverbindung der Region geschaffen werden soll. Bisher sind auf der sogenannten Heidekrautbahn RB 27, die den Norden Berlins mit den Landkreisen Oberhavel und Barnim in Brandenburg verbindet, Dieselloks im Einsatz. Diese Antriebsform ist auf deutschen Schienen gerade im Regionalverkehr dabei gar nicht ungewöhnlich: Fast die Hälfte des deutschen Schienennetzes ist auch heute noch nicht über eine Oberleitung elektrifiziert und wird stattdessen mit Dieselloks abgedeckt. Hier gibt es also ein großes Potenzial für den Klimaschutz, das auf der Heidekrautbahn jetzt schon ab Ende 2024 erschlossen wird.
Denn beginnend mit dem Dezember 2024 werden im Zuge des Projekts „Wasserstoffschiene Heidekrautbahn“ sieben Wasserstoff-Brennstoffzellen-Züge die bisherigen Dieseltriebwagen ersetzen. Nicht weniger als 840.000 l Diesel sollen so pro Jahr eingespart werden, was einer Emissionsminderung von bis zu 2,5 Mio kg CO2 entspricht. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Durch die Betreibung der Züge mit Wasserstoff anstelle von Diesel wird zusätzlich die Feinstaubbelastung in der Umgebung der Strecke reduziert, was auch die Lebensqualität der Menschen vor Ort positiv beeinflussen dürfte.
Besonders an dem Projekt ist zudem, dass erstmalig eine regionale Infrastruktur geschaffen wird, die den Einsatz von wasserstoffbetriebenen Zügen ermöglicht. Konkret bedeutet das: Der zum Antrieb benötigte Wasserstoff – pro Jahr immerhin 200 Tonnen – wird in einem eigenen Wasserstoffwerk in Oberhavel mittels Elektrolyse und mit regional erzeugtem Wind- und Sonnenstrom gewonnen. Zur Betankung der Züge soll eine eigene Wasserstoff-Tankstelle entlang der Strecke entstehen.
Insgesamt belaufen sich die Gesamtkosten des Projekts auf ca. 100 Mio Euro, die sowohl aus Landes- als auch Bundesmitteln stammen. Teil des Projekts ist auch die wissenschaftliche Begleitung durch das Wasserstoff-Forschungszentrum der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) sowie das Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR).